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AutorenbildSelene Mariani

MÖGLICHKEITEN

Ich kannte mal eine, die zog sich, wenn sie nervös war, die Haare aus der Kopfhaut und legte sie vor sich auf den Tisch. Ich konnte das nie so ganz verstehen. Also, die Nervosität schon. Die sogar sehr gut. Aber bei mir äußerte die sich anders: als Bauchschmerz oder Schwitzen. Und den Wunsch, etwas zu ordnen, den verstand ich auch. Nicht ohne Grund räumte ich manchmal acht Stunden am Stück mein kleines WG-Zimmer auf. Aber dieses Haare-Rausziehen, das verstand ich nicht. Dafür waren mir meine Haare viel zu wichtig. Also, nicht, um Frisuren zu machen. So was konnte ich nicht, werde ich auch nie können. Aber einfach ihre Existenz. Die Möglichkeit, eine aufwendige Hochsteckfrisur zu machen. Die Möglichkeit, sie vor mein Gesicht zu hängen wie man die Vorhänge zuzieht an einem grauen Tag. Die Möglichkeit, sie nach hinten zu werfen und sich für diesen Bruchteil einer Sekunde schön zu fühlen. Dabei bleibt es dann eigentlich auch: Möglichkeiten. Wie oft ich mir schon die Haare ganz kurz schneiden wollte, weil ich sie doch sowieso nur in unordentlichen Dutts oder Pferdeschwänzen trage. Aber die Möglichkeiten, von denen konnte ich mich dann doch nicht trennen. Wie oft ich mir schon die Haare bunt färben wollte, oder wenigstens einfach dunkler. Aber das wäre dann ein Ausschöpfen der Möglichkeiten und ich glaube, irgendwas in mir glaubt, dass manche Träume schöner geträumt als gelebt sind. Also laufe ich lieber mit meinen langweilig braunen Haaren in einem langweiligen Pferdeschwanz herum und träume, dass ich ganz anders wäre mit seidigen Locken oder mit pastellrosa Bob oder mit schneewittchendunkler Mähne.

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