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ROSINENBROT

„Wenn ich allerdings Glück habe mit meinen Plänen, wird es nicht so lange dauern, bis es richtig gut aussieht bei mir“, sagt er. „Warte kurz“, sage ich und klemme mir das Handy zwischen Schulter und Wange. Ich kann seit Tagen die verdammten Kopfhörer nicht finden. Wahrscheinlich sind sie wieder in den Tiefen des Sofas verschwunden, aber sobald ich mich dem Sofa nähere, vergesse ich alles, was zu tun ist und lasse mich einfach nur fallen. Ich gehe in die Küche und schneide mir eine dicke Scheibe Rosinenbrot ab. „Ich habe ein paar Artikel fertig, wenn ich die erst mal unterbringe“, sagt er. „Warte“, sage ich. Ich stopfe die Scheibe in den Toaster, währenddessen hole ich die Butter aus dem Kühlschrank. Als der Toast rausspringt, schiebe ich ihn schnell auf einen Teller und lege ein riesiges Stück Butter darauf. Es schmilzt und duftet und ich sage: „Jetzt.“ Und während er erzählt, dass er jetzt wirklich kurz vorm Durchbruch ist, dass er im nächsten Monat vermutlich alle seine Schulden wird bezahlen können und dass er mir dann endlich auch mein Geld wiedergeben wird – und mehr, als Dankeschön – beiße ich in die warme buttrige Weichheit. „Das klingt toll“, sage ich. „Ich weiß, du glaubst mir nicht“, sagt er. Ich beiße wieder ins Rosinenbrot. „Aber diesmal …“ Leider ist es nach ein paar Bissen weg, das Rosinenbrot, also sage ich: „Also, ich muss jetzt“ und er sagt: „Schau dir doch mal die Artikel an, ich hab sie dir per Mail geschickt.“ „M-hm“, sage ich. „Und denk doch noch mal drüber nach“, sagt er. „Über das mit uns.“ Mehr als noch ein „m-hm“ kann ich nicht rausbringen, weil sonst alles aus mir herausplattern würde, völlig unkontrolliert, und er würde weinen und verneinen und ich säße in drei Stunden immer noch hier, das Handy am Ohr, und würde auch weinen vor Schuld und ihn zwei weitere Stunden beschwichtigen: „Natürlich glaube ich an dich“ et cetera, et cetera. Also lege ich auf und atme durch und danke dem Himmel für Butter und Rosinenbrot.

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